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    Ein Rock macht noch lange keine Frau – Über Weiblichkeit, Zyklen und den Mut, sich halten zu lassen

    • Autorenbild: Suse
      Suse
    • 15. Aug.
    • 4 Min. Lesezeit

    Ich bin in einer Welt aufgewachsen, die Weiblichkeit ein wenig wie ein Kostüm behandelt. Ein Kleid, ein Lächeln, ein bisschen Zurückhaltung – und schon soll man „Frau“ sein. Doch das ist nur die Hülle. Eine hübsche Verpackung, die gut aussieht, aber nichts darüber verrät, wie es im Inneren aussieht.

    Schon früh habe ich gelernt, wie man „funktioniert“. Pünktlich, zuverlässig, belastbar. All das, was unsere Gesellschaft schätzt – und oft als selbstverständlich von Frauen erwartet. In dieser Welt ist Stärke das Maß aller Dinge, und wer stark ist, darf bleiben. Wer schwach ist, riskiert, übersehen oder aussortiert zu werden.


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    Weiblichkeit im Korsett der Erwartungen


    Das Bild der Frau, das mir vermittelt wurde, war widersprüchlich: Einerseits sollte ich schön, anziehend und sanft sein. Andererseits sollte ich hart arbeiten, durchhalten und auf keinen Fall zu viel fühlen.


    Es war, als müsste ich zwei Rollen gleichzeitig spielen: die Zarte und die Unerschütterliche. Dabei ist wahre Weiblichkeit viel mehr als eine Rolle – sie ist ein Sein. Ein innerer Rhythmus, der manchmal laut und manchmal leise ist. Der Kraft kennt, aber auch Weichheit.


    Die männliche Energie in meinem Leben


    Zu lange habe ich in einer Energie gelebt, die nicht meine war. Ich habe funktioniert wie in einem Dauer-Marathon: leisten, durchhalten, stark bleiben – selbst dann, wenn mein Inneres leise flüsterte: „Geh langsamer. Hör zu. Ruh dich aus.“

    Ich habe meinen eigenen Zyklus übergangen. Nicht nur den körperlichen, sondern auch den seelischen. Ich habe gearbeitet, wenn mein Körper nach Rückzug rief. Ich habe geredet, wenn meine Seele schweigen wollte. Ich habe Pläne geschmiedet, wenn mein Herz einfach nur fühlen wollte.

    Es war, als würde ich in einem Takt tanzen, der nicht meiner war.


    Das Bedürfnis, nicht stark sein zu müssen


    Und jetzt, heute, spüre ich immer deutlicher: Ich will nicht immer stark sein. Ich will mich anlehnen dürfen, ohne dass es als Schwäche gesehen wird. Ich will einfach in den Arm genommen werden – ohne Analyse, ohne Lösung, ohne dass jemand Angst davor hat, meine Gefühle nicht halten zu können.


    Es geht nicht darum, mich aufzugeben oder abhängig zu sein. Es geht darum, dass ich als Frau in mir einen natürlichen Wechsel aus Kraft und Hingabe trage. Dass ich manchmal die bin, die hält – und manchmal die, die gehalten werden möchte.


    Der Mann, der alles halten kann


    Oft wünsche ich mir einen Mann, der genau das kann: der alle meine Emotionen halten kann – die leisen, die wilden, die widersprüchlichen. Der nicht wegläuft, wenn es stürmisch wird, sondern bleibt, weil er weiß, dass meine Tiefe ein Teil meiner Liebe ist. Ein Teil von mir.


    So ein Mann ist kein Märchenprinz. Er ist jemand, der bei sich selbst angekommen ist. Der weiß, dass Gefühle nicht „gemacht“ oder „gelöst“ werden müssen, sondern dass sie da sein dürfen. Er hat keine Angst davor, dass meine Tränen ihn überfluten, weil er gelernt hat, im Regen zu stehen.


    Warum viele Männer scheitern


    Genau hier merke ich, wie oft Männer scheitern. Sie wollen „machen“ statt einfach da zu sein. Sie wollen reparieren, wenn nichts kaputt ist.

    Doch meine Tränen sind kein Problem, das man fixen muss. Sie sind ein Fluss, der einfach fließen darf. Sie sind nicht schlimm, nichts, was man behandeln muss. Sie sind Ausdruck von Gefühl, von Seele, von Wahrhaftigkeit. Von meinem Inneren.

    So einfach – und doch so schwer.


    Viele Männer haben nie gelernt, dass Gefühle keine Bedrohung sind. Dass sie nicht immer eine Handlung erfordern, sondern oft nur Präsenz. Und genau deshalb braucht es Mut, zu bleiben, wenn es intensiv wird.


    Wahre Weiblichkeit – jenseits der Hülle


    Wahre Weiblichkeit ist für mich nicht immer strahlend. Sie ist auch leise, erschöpft, roh. Sie ist ein Tanz aus Licht und Schatten, aus Geben und Empfangen, aus Halten und Gehaltenwerden.


    Sie braucht keinen Rock, um echt zu sein. Sie braucht Räume – und manchmal einfach nur zwei Arme – in denen sie alles zeigen darf, was sie ist.


    Weiblichkeit ist zyklisch. Sie kennt Phasen des Aufblühens und des Rückzugs. Sie kennt Kraft und Hingabe, Klarheit und Weichheit.


    Wenn wir diesen Rhythmus leben, kommen wir zurück zu uns selbst. Wir hören wieder das leise Flüstern, das uns sagt, wann wir aufstehen und wann wir uns hinlegen dürfen.Wir erinnern uns daran, dass wir nicht für Dauerleistung geschaffen sind, sondern für den Wechsel von Tun und Sein.


    Eine Einladung


    Vielleicht liest du das und fühlst dich wiedererkannt. Vielleicht sehnst du dich auch danach, dich fallen lassen zu dürfen, ohne dass es dir ausgelegt wird. Vielleicht wünschst du dir auch jemanden, der deine Tiefe sieht, ohne davor zurückzuschrecken.

    Dann will ich dir sagen: Diese Sehnsucht ist kein Makel. Sie ist eine Erinnerung daran, dass wir als Frauen nicht dafür gemacht sind, immer stark zu sein. Dass wir Räume brauchen, in denen wir in all unseren Facetten willkommen sind.


    Und wenn du ein Mann bist und das hier liest: Vielleicht ist es genau dein größtes Geschenk, einer Frau diesen Raum zu halten –ohne sie zu bewerten, zu verändern oder zu reparieren.Einfach nur da zu sein, mit offenen Augen und offenem Herzen.


    🌿 Wahre Weiblichkeit beginnt dort, wo wir aufhören, eine Rolle zu spielen – und anfangen, einfach zu sein.

     
     
     

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